Trail Magazin Vorschau 5/2019

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TRAIL MAGAZIN

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DAS LAUFMAGAZIN NR.1 FÜR TRAILRUNNER

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05 2019 September/ Oktober

604906 DEUTSCHLAND ¤ 4,90 ÖSTERREICH ¤ 5,60 SCHWEIZ SFR 8,80 LUXEMBURG ¤ 5,80 ITALIEN ¤ 6,60 SPANIEN ¤ 6,60 FRANKREICH ¤ 6,60

WWW.TRAIL-MAGAZIN.DE

REPORT

FOTOSTORY: WESTERN STATES 100

INTERVIEW: FLORIAN REICHERT

LAUFSPORT & Klimawandel

PRAXISTEST

FALTSTÖCKE, SPORTUHREN ENERGIERIEGEL & TRAILSCHUHE 16 T R AU M T R A I L S Z U M N AC H L AU F E N IN JEDEM BUNDESLAND

adidas infinite trails

D A S S TA F F E L R E N N E N IN BAD GASTEIN

EVENT-HIGHLIGHTS

SKYRACE ZEGAMA LICHTENSTEIN TRAIL MONTE ROSA SKYRACE ZUGSPITZ ULTRATRAIL HOCHKÖNIGMAN MADEIRA SKYRACE TEIL 1/2: UPHILL-

TRAINING:

WIE FLACHLÄNDER BERGFEST WERDEN!

SCHWEDEN TRAUMTRAILS UND LANGE TAGE


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Stabil, astrein, leicht: Kaptiva gibt mit der FriXion® White so richtig Gummi im Off-Road Gelände. Die meisterhafte Slip-On Konstruktion und der brilliante Schaft aus Knit-Gewebe umhüllen den Fuß perfekt und bieten eine präzise und bequeme Passform. Entwickelt im Val di Fiemme, Trentino, Dolomiten.

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EDITORIAL Liebe Leser*innen, Trailrunning ist Sport, ist Lifestyle, ist Ausgleich, ist Wettkampf. Bleiben wir beim Wettkampf. Vor einigen Jahren waren wir uns ziemlich sicher, dass Trailrunning eine ähnliche Entwicklung wie einst der Mountainbikesport nehmen würde. Also ziemlich flott und flott weg von den Rennen und Wettbewerben mit Startnummer und Zeitnahme.

DENIS WISCHNIEWSKI

4 Menschen dieser Ausgabe

Nun haben wir 2019 und wurden irgendwie eines Besseren belehrt, denn Events, Wettkämpfe, Ultratrails oder Skyraces stehen so hoch im Kurs wie nie zuvor. Klar, die meiste Zeit auf Trails verbringen Läufer*innen ohne Wettkampffieber, aber dennoch belegen die Zahlen, dass Tausende regelmäßig auf Veranstaltungen sind und dafür auch sehr strukturiert und engagiert „trainieren“. Wir ertappten uns also dabei, dass wir alleine nach den letzten sechs bis sieben Wochenenden mon-

FLORIAN FELCH

TRAIL-MAGAZIN-TEAMLÄUFER FLO LIEF SEINEN ERSTEN HUNDERTER VOR FÜNF JAHREN AN DER ZUGSPITZE. NUN KEHRTE ER ALS MITTLERWEILE EINER DER BESTEN DES FACHES ZURÜCK AN DEN URSPRUNGSORT UND WAR ZUNÄCHST ENTTÄUSCHT ... SEITE 67

tags stets sagten: „Irre. Krass. Da war ja viel los!“ Der Lavaredo Ultratrail, die Infinite Trails, der Mont Blanc Marathon und der Stubai Ultra am selben Tag. Der Zugspitz Ultra, der Koasamarsch und der Mozart 100 am selben Wochenende. Das ging und geht so weiter. Vor einigen Jahren hätten wir noch gedacht, dass sich all diese Rennen letztendlich selbst auffressen, aber Tatsache ist, dass nahezu alle dieser Wettbewerbe gut oder sogar ausgebucht sind. Sich mit anderen zu messen, Rennluft auf Trails zu schnuppern oder einfach auf

JOHANNES SCHMID

DER MANN AUS DEM BAYERWALD IST GANZ BESONDERS ROBUST UND MAG ALS LÄUFER ALLES WAS HOCH, STEIL UND EXTREM IST. GENAU DESHALB WAR ER FÜR TRAIL AUCH BEI DER NEUAUFLAGE DES LEGENDÄREN MONTE ROSA SKYRACE DABEI UND IST JETZT EBENFALLS LEGENDÄR. SEITE 59

perfekt markierten Strecken zu laufen boomt total. Wir als Magazin begleiten diesen ungebrochenen Trend und haben in dieser Ausgabe auf mehr als 16 Seiten eine Zusammenfassung dessen, was die letzten zwei bis drei Monate so „kompetitiv“ im Gelände los war. Ansonsten findet ihr aber auch wie gewohnt Testthemen, Reisetipps, Trainingstricks und Streckenempfehlungen weit weg von jegli-

KIM SCHREIBER

IST IHR FRÜHSTÜCK SEHR WICHTIG. DIE ADIDAS TERREX-TEAMLÄUFERIN VERPASSTE BEI DEN INFINITE TRAILS KNAPP DEN SIEG – AM ESSEN LAG ES NICHT. IHR REZEPT AUF SEITE 56

chem Wettkampfgedanken. Mit sportlichen Grüßen

BJÖRN KAFKA

DIESER JUNGE MANN IST EIN KÜNFTIGER ROMANHELD. TRAIL-HERAUSGEBER DENIS WISCHNIEWSKI SCHREIBT AN EINER GESCHICHTE, IN DER JENER KERL IM MITTELPUNKT STEHT UND DABEI ÜBER VIELE UMWEGE ZU EINEM SAGENHAFTEN ULTRATRAIL-FINISH GELANGT. SEINEN NAMEN MUSS SICH DER AUTOR NOCH ÜBERLEGEN – WAS SCHON JETZT FESTSTEHT: VIELES IST FREI ERFUNDEN, DER GANZE REST TATSÄCHLICH SO PASSIERT. AB DEZEMBER 2019 IM HANDEL.

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DER MÜNCHNER JOURNALIST UND TRAINER IST EIGENTLICH EIN EXPERTE FÜR RADSPORT, WAR FÜR UNS ABER BEI DEN ADIDAS INFINITE TRAILS IN BAD GASTEIN. SEIN FAZIT NACH EINEM BUNTEN TAG: „EUER SPORT FÄNGT ERST GERADE MAL SO RICHTIG AN IN FAHRT ZU KOMMEN!“ SEITE 40


INHALT 6

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Der südafrikanische Fotograf Kelvin Trautman war für uns bei einem legendären US-amerikanischen Ultratrailrennen.

Unser eigener Trail-Marathon wird 5 Jahre alt und lebt den Charme einer familiären Veranstaltung.

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Im zweiten Teil unserer Serie gibt es nochmals acht spannende Trail-Beschreibungen inklusive GPS-Daten zum Nachlaufen.

Diesen Monat: Denis‘ Kolumne, handgemachte Dinge, Trail2gether Tour, Knöchelverletzungen, Menorca, Events, La Sportiva News, Salomon 4 Trails, ...

Benni Bublak über die Tatsache, dass sich auch für Trail-Läufer vieles ändern wird und bereits geändert hat.

WESTERN STATES

JOURNAL/NEWS

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FLORIAN REICHERT

Der wohl beste Trailrunner Deutschlands lebt in Göttingen und arbeitet dort als Lehrer. Wir waren bei ihm.

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TEST: 6 FALTSTÖCKE

Leki, N&W, Black Diamond, Dynafit und Scott im Praxistest. Hannes Namberger erklärt zudem die Stocktechnik.

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TEST: GPS-UHREN

Sunnto vs. Garmin: Wer gewinnt? Zwei Topmodelle knallhart im Duell und Praxistest.

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ADIDAS INFINITE TRAILS 2019

Beim zweiten Anlauf hat es geklappt und das Mega-Event in Bad Gastein wurde zum neuen Maßstab im Rennkalender. Ein Staffelrennen der Extraklasse.

LICHTENSTEIN TRAIL

KLIMAWANDEL

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REISE: SCHWEDEN

Schweden, das Trail-Land Nummer 1? Unser Autor ist sich da sehr sicher und kam geflasht wieder nach Hause.

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PROFI-FRÜHSTÜCK

Drei Profis verraten ihre Frühstücksgeheimnisse und rücken sogar Rezepte raus.

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EVENT-RÜCKBLICK

Viel war los: Zugspitz Ultratrail, Koasamarsch, Lavaredo Ultratrail oder das fast irrsinnige Monte Rosa Skyrace. Ein beeindruckender Rückblick auf die erste Sommerhälfte 2019.

TRAUMTRAILS BRD

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SCHUHTEST

Inov-8, ON, Adidas Terrex und Hoka One One. Je zwei Trailschuhe für unterschiedliche Ansprüche.

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HÖHENANPASSUNG

Wie man sich auf so extreme und exotische Wettkämpfe wie das Monte Rosa Skyrace vorbereitet, erklärt Racer Johannes Schmid.

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TYPEN

Über einen, dem es nicht vergönnt war ein 100-km-Rennen zu finishen und dann von Freunden eines geschenkt bekam.

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PRAXISTESTS

Energieriegel, Schuhe und neue Produkte für den Trail. Wir haben alle sehr strapaziert.

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Im Flachen leben und am Berg bärenstark abliefern? Geht das? Ja, sagt unser Experte Michael Arend und erklärt wie.

Bier. Viel mehr muss man da wohl nicht erklären. Ohne Stoff das reinste Kraftgetränk.

TRAINING

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POWERFOOD


10 Jahre Trail 2008 - 2018

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SCHWEDEN

WIR BLICKEN AB SEITE 58 AUCH AUF DEN LAVAREDO ULTRATRAIL ZURÜCK

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Ein Duell Suunto vs. Garmin: Welche Uhr kann mehr?

STANDARDS EDITORIAL JOURNAL/NEWS IMPRESSUM PRAXISTEST SUPERFOOD

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Fotos: J. Klatt. Philipp Reiter

ZU BESUCH: BEI TOPLÄUFER FLORIAN REICHERT IN GÖTTINGEN


FOTOSTORY WESTERN STATES 100

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Der Litauer Gediminas Grinius wird von seiner Ehefrau und einer Crew umsorgt und versorgt. Am Ende wird er Sechster bei seinem ersten Auftritt in Kalifornien.

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FOTOSTORY WESTERN STATES 100

Tom Evans im wohl luftigsten Trikot der ganzen Veranstaltung kam mit den Bedingungen gut zurecht und wurde am Ende Dritter in unter 15 Stunden.

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NEWS

Von Hand gemacht Handwerk. Liebe zum Detail. Passt zum Laufsport und Trailrunning. Dinge, die Zeit brauchen um das zu werden, was sie sind. Wie eine gute Form bei einem Sportler. Ein feine Auswahl an handgemachten Dingen ... Laufschuhe mit Liebe und Verstand, aus hochwertigen und nachhaltigen Materialien. Schuhe von RUNNERTUNE sind Oeko-Tex-zertifiziert. Der Preis liegt bei 400 Euro.

Eine schöne Geschichte über ein Leben, das am guten Ende doch noch einen Sieger feiert. Der Autor begleitet einen „Outlaw“, wie er von der Spur abseits der Gesetzgebung in einen Trail einbiegt und zum Läufer wird. Ab Dezember 2019. www.trail-magazin.de

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Im Blickpunkt

Vereinsmeiereien

Mit Meisterschaften im Trailrunning hab ich so meine Probleme. Eine Patentlösung habe auch ich nicht.

Schon mal vorab: Ich denke ganz unbedingt, dass man auf Meisterschaftsebene in unserem Sport international bereits mehr erreicht hat als national. Mir zumindest erscheinen die einmal im Jahr stattfindenden Weltmeisterschaften im Ultratrail als sehr „kompetitiv“ und „hochklassig“, die nationalen Meisterschaften hingegen sind seit Jahren nur mit einer Handvoll wirklichen Athleten bestückt. Dass in diesem Juni dann die DM und die WM am selben Wochenende stattgefunden haben, hat mich endgültig irritiert zurückgelassen – das ist, als ob das Finale der Fußball-WM einfach auf den letzten Spieltag der Bundesliga gelegt worden wäre. Fakt ist dann auch, dass bei der DM nicht die besten des Landes am Start waren.Ebensoso wenig haben bei der WM die Besten Deutschland vertreten. Die Anfrage des Bundestrainers kam spät, zu spät in einer frühen und seriösen Saisonplanung von Leuten, die den Sport auf hohem Niveau (und im Nebenerwerb) betreiben. Ach ja. Dann gab es da auch noch eine Bayerische Meisterschaft im Trailrunning über eine Dis-

tanz von 30 km. Im Prinzip eine uneingeschränkt tolle Sache, eine tolle Länge, eine gute Idee. Aber was ist mit den anderen Bundesländern? Müsste nicht jedes davon im Frühjahr solch eine „Landesmeisterschaft“ haben, die später ihre „Bestplatzierten“ zu einer Deutschen Meisterschaft schickt? So war das mal im Radsport. Nur so als Beispiel. Und wieso haben wir überhaupt eine DM und WM im Ultratrail. aber nicht für Strecken darunter? Für die Jüngeren, für die Trailrunner*innen, die aus der Leichtathletik zu unseren Sport finden, wären Distanzen zwischen 10 und 25 km ganz sicher hochattraktiv. Was ganz anderes ist dann die Sache mit den Vereinen. Ich bin selbst in einem und glücklich damit, aber ein Sport wie Trailrunning, der sich sehr darüber identifiziert, frei und unabhängig zu sein, muss künftig auch solchen die Teilnahme an einer Meisterschaft zugestehen, die lieber für eine Laufcrew oder einfach ganz für sich alleine starten wollen. Von: Denis Wischniewski

Mach ma Menorca! Menorca. Kennt man mittlerweile etwas besser. Die Insel bei Mallorca. Die hat in den letzten Jahren ihrer großen Schwester tatsächlich in Sachen Trailrunning den Rang abgelaufen. Der OTSO Trail Menorca Camí de Cavalls lädt auch 2020 zu einem epischen Laufsportereignis ein, bei dem fast 2.000 Teilnehmer auf insgesamt sechs verschiedenen Strecken auf der Insel die schmalen Traumpfade entdecken. Im Mittelpunkt ist dabei die 185 km lange Umrundung, bei der einige der weltbesten Ultratrailläufer am Start sind. Mitte Mai 2020 findet die nächste Austragung statt. Garantiert: eine fast unberührte Landschaft, einzigartige Eindrücke und eine perfekte Organisation mit viel Liebe zu den Details, die wir mögen. www.trailmenorca.com

T R A I L HAUNTED Y O U T H www.thywear.com

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TYPEN FLORIAN REICHERT Text: CLEMENS NIEDENTHAL Fotos: PHILIPP REITER

Top10 bei der Transvulcania, eine Bronzemedaille mit der Mannschaft bei der Ultratrail-WM und gerade erst der Sieg beim ZUT: Ausgerechnet ein Niedersachse ist derzeit einer der besten Trail-Läufer der Republik. Wir haben den Gymnasiallehrer Florian Reichert in Göttingen besucht und festgestellt, dass das alles keine Fleißleistung ist.

Unser Lehrer, Herr Reichert

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Zegama-Aizkorri in diesem Frühjahr: Während alle die Läufer*innen anfeuern, bejubelt Florian Reichert das Publikum.

An einem Haus hängt eine Antifa-Fahne und am nächsten eine Plakette, die daran erinnert, dass dort einmal ein renommierter Physiker gewohnt hat. Darunter eine Buchhandlung, die noch sich selbst gehören darf und keiner landesweiten Kette. Wie das eben so ist in einer Universitätsstadt. Und Florian Reichert ist hier eigentlich ganz gern. Der 37-Jährige rennt durch die Altstadtgassen, grüßt hier und da Leute. Schüler*innen, ehemalige Schüler*innen, die Eltern von Schüler*innen. Und den Landschaftsgärtner, jedenfalls erzählt diese grüne Latzhose davon, dass dieser Mann wohl ein Landschaftsgärtner ist, der immer am frühen Abend vor dem Europic sitzt und exakt drei Bier trinkt. Auch Reichert, Studienrat am Theodor-Hess-Gymnasium im liberalen, bildungsbürgerlichen Ostviertel der Stadt, sitzt dort oft. Isst eine der gefüll-

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ten Teigrollen. Und trinkt ein Helles aus den bayerischen Bergen dazu. Für sich alleine kocht er eher selten. In zwei Tagen wird hier wieder der traditionelle Altstadtlauf über die ziemlich schiefe Distanz von 10.460 m stattfinden, und Florian Reichert wird ihn, wie immer in den vergangenen zwölf Jahren, gewinnen. Nur 2015 nicht, da war er gerade mit eierbechergroßen, blutigen Blasen von den Berglauf-Weltmeisterschaften im Wallis zurückgekommen (den 13. Platz über die Langdistanz nennt er eines seiner stärksten Rennen). Also haben ihn Freunde mit dem Bollerwagen über die Strecke gezogen. Und die Leute haben ihm Bier gereicht. STADT LAND FLUSS Es ist also nicht so, dass Florian Reichert in Göttingen nicht auch glücklich wäre. Was ein Teil dieser Geschichte ist.


PRODUKTE STÖCKE

Text: BENNI BUBLAK näher erklärt (siehe Kästen). Dabei hankennt oder wenn ihr im Downhill länge„Wizard Sticks!“ war die liebevoldelt es sich um Bergauf- Techniken. Für re Stöcke bevorzugt als im Uphill. Eine le Umschreibung der amerikanischen den Downhill empfiehlt Hannes, so weit Alternative für reine Uphill-Rennen, Trail-Läufer*innen für die Aufstiegshilmöglich, die Stöcke im Rucksack oder aber auch für Läufer*innen, die die Stöfen, mit denen sich die europäischen am Hüftgurt zu verstauen, um sich vollcke sowieso nicht wegpacken, sind FixLäufer*innen die steilsten Berge hochständig auf die Downhilltechnik konlängenstöcke. Diese sind extrem leicht zuschrauben schienen. Ein Spitzname, zentrieren zu können. Er schließt aber und steif und bieten daher beste Kraftder sehr gut das ambivalente Verhältnis nicht aus, dass Stöcke auch im Downhill übertragung. Oft sind sie noch mit einer von Anhängern der klassischen Laufdisfür einige Sinn ergeben können. Gerabesonders scharfkantigen Spitze verseziplin mit Stöcken beschreibt. Einerseits de bei langsamerem Bergablaufen oder hen, wie man sie von Langlaufstöcken das leichte Belächeln: „Welche*r richtiwenn die Beinmuskulatur schon stark kennt. ge Läufer*in braucht schon Trekkingstömitgenommen ist. Habt ihr euch eine Welche Länge sollten meine Stöcke hacke?“ Andererseits die Einsicht, dass eigute Stocktechnik angeeignet, sind Stöben? Ein guter Anhaltspunkt ist die Fornige Trailrunner*innen sich mittels der cke ein echter Wettbewerbsvorteil. Ihr mel Körpergröße x 0,67. Bei einer Größe Wizard Sticks im fast „magischen“ Tementlastet effizient eure Beinmuskulatur, von 180 cm ergibt dies eine Stocklänge po den Berg hochdrücken. indem ihr aus der Oberschenkelmuskuvon 120 cm. Diese Formel ist nicht imInzwischen ist das Benutzen von Stölatur Vortrieb generiert. In diesem Fall mer zu 100% exakt, da Armlänge und cken allgemein anerkannt und weit vergibt es auch keine Mindestlänge, die ein Körperbau von Person zu Person variiebreitet. Vor allem bei langen Distanzen Wettkampf oder Lauf haben muss. Bei ren, meist aber völlig ausreichend. Aber wo viele Höhenmeter überwunden werkorrektem Einsatz helfen sie euch schon auch persönliche Präferenzen spielen den müssen, sind die Läufer*innen mit ab dem ersten Höhenmeter. eine Rolle. Hannes beispielsweise nutzt Stöcken deutlich in der Überzahl. Wo gebei einer Körpergröße von 176 cm mit nau also liegt der Vorteil von Stöcken Welche Art von Stöcken brauche ich? 125 cm ungewöhnlich lange Stöcke. beim Trailrunning? Wir haben darüber Trailrunningstöcke gibt es in verschieDies ermöglicht ihm noch mehr Kraft mit dem Dynafit-Athleten Hannes NamSalomon Scott aus dem Oberkörper zu holen und in denen Ausführungen. Aluminium vs. berger gesprochen. Hannes ist ehemaS/Lab Short 9 M Kinabalu Run S/SL Shirt Carbon. Teleskopstock vs. Faltstock!. Vortrieb umzuwandeln. Allerdings ist liger Profi-Skirennläufer und 70,00 daher Euro von 59,95 Euro Fixe vs. variable Länge. Faltstöcke aus dafür sehr viel Oberkörperkraft nötig, Kindesbeinen an vertraut imS/Lab Umgang NSO Tee Kinabalu Light Run Damen Shorts Carbon überzeugen vor allem in puncsodass ein Großteil der Läufer*innen mit mit Stöcken. Für seine neue Leiden100,00 Euro 59,95 Euro to Gewicht und Packmaß. Teleskopkürzeren Stöcken besser beraten ist. schaft Trailrunning hat ihm das, wie er www.salomon.com www.scott-sports.com oder Aluminiumstöcke sieht man nur selbst sagt, nur bedingt geholfen, da die noch selten. Faltstöcke lassen sich nochInzwischen gibt es auf dem Markt nicht Technik doch eine eigene ist. Technik! mal unterteilen in Faltstöcke mit fixer nur einige wenige Spezialmarken, die Ja genau. Darauf kommt es an. Leider und variabler Länge. Erstere sind komunsere geliebten Wizard Sticks anbieist es nicht damit getan die Stöcke zu promisslos leicht, während letztere die ten. Die Auswahl wir immer größer. Um kaufen und in den Rucksack zu packen. Möglichkeit bieten die Länge zu variieeuch eine Kaufentscheidung zu erleichEine gute Stocktechnik will gelernt ren. Dies kann praktisch sein, wenn ihr tern, haben wir sechs Modelle auf dem sein. Hannes hat uns zwei verschiedene eure bevorzugte Stocklänge noch nicht Trail getestet. Techniken für das Laufen mit Stöcken

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Mehr Einsatz, bitte! Höhenmeter oder Wildtierabwehr? Ohne Frage, Stöcke können echte Lebensretter sein. Vorausgesetzt, ihr beherrscht die richtige Technik. Genau über diese haben wir für euch mit dem Profiathleten Hannes Namberger gesprochen. Außerdem waren wir auf dem Trail und haben sechs aktuelle Stockmodelle getestet.

AUF DIE TECHNIK KOMMT‘S AN

Transalpine-Sieger und Dynafit-Athlet Hannes Namberger erklärt seine Techniken 1:1-Technik Dies ist eine Spezialtechnik von Hannes, wie sie wahrscheinlich die wenigsten von euch anwenden. Aber nicht nur Hannes, auch Luis Alberto Hernando setzt auf diese Technik. Der Ex-Profibiathlet hat sie wohl im Blut, entspricht sie doch größtenteils der Stocktechnik beim klassischen Langlauf. Wie der Name schon verrät, arbeitet man bei dieser Technik mit einem 1:1-Verhältnis von Laufschritten zu Stockeinsatz. Diese sehr hohe Frequenz fordert euch koordinativ, sodass ihr ein wenig üben müsst, bis ihr sie beherrscht. Wichtig ist, dass die Hand den Griff nicht zu fest umgreift. Optimalerweise ist die Handfläche offen und der Stock klemmt nur leicht zwischen Daumen und Zeigefinger. Der Druck kommt komplett über die Stockschlaufe. Der Aufsatz des Stocks erfolgt neben oder leicht hinter dem Fuß, wobei die Hand sich mindestens 10 cm vor der Stockspitze befindet. Auf ein kurzes und kräftiges Durchdrücken gefolgt vom Öffnen der Hand beim Schwungabschluss ist zu achten. Diese Technik ist sehr energie- und kraftintensiv, entlastet die Oberschenkel aber enorm. Sie funktioniert nur bei leichten Steigungen und in unverblocktem Gelände wie Forststraßen.

Doppelstocktechnik Die meisten von euch werden sie schon unbewusst einsetzen: die Doppelstocktechnik. Hannes nutzt sie, wenn das Gelände steiler und unwegsamer wird. Es gibt zwei Varianten, den Parallelschwung oder den leicht versetzten Schwung beider Stöcke. Der größte Unterschied zur 1:1-Technik ist, dass der Stock vor dem Fuß senkrecht aufgesetzt wird, um ihn anschließend neben dem Oberkörper durchzudrücken. Der Kontakt der Stockspitze mit dem Boden ist deutlich länger und das Schritt-/Stockeinsatz-Verhältnis liegt eher bei 4:2 oder noch höher. Wichtig ist, dass ihr die Stöcke so einsetzt, dass der Druck in Laufrichtung und nicht nach oben wirkt, um richtigen Vortrieb zu erzeugen. Achtet auf ein sauberes und kraftvolles Durchdrücken. Die Arme sollten nicht nach außen wegklappen. Beim Gehen/Powerhiken ist diese Technik vergleichsweise einfach zu erlernen. Sie funktioniert allerdings auch beim Laufen. Dies erfordert ein wenig mehr Übung und Koordination.

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EVENT INFINITE TRAILS

Von einer Idee und einem ganz neuen Level Wer dachte, dass Trailrunning auf seinem Gipfel angekommen ist, täuscht sich. Bei den adidas Infinite Trails im Gasteiner Tal feierte der Sport ein neues, frisches Format, die Schönheit der Strecken und ein bisschen sich selbst. Grund dazu gab es an den drei Tagen jedenfalls mehr als genug.

Text: BJÖRN KAFKA Fotos: ADIDAS TERREX

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Das muss man auch erst mal hinkriegen: drei Schleifen in die Berge legen, auf denen man gefĂźhlt immer Ăźber den Wolken rennt. Yngvild Kaspersen hoch Ăźber Bad Gastein

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TRAIL-WOCHENENDE SCHWEDEN

Cooler Berg

Wie wenig weit muss man gen Norden fahren, um die perfekten Trails zu finden? Wir waren am Kullaberg, einer felsenschönen Landzunge in der südschwedischen Provinz Skåne – und hatten unser Ziel erreicht.

Text & Fotos: CLEMENS NIEDENTHAL

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Trailrunning in Skåne: die halbmarathonlange Runde um den Leuchturm Kullen Fyr ist einfach wunderbar.

hin jeder Trail. Und es gibt tatsächlich viele von ihnen.

Fika heißt der schwedische Kaffeeklatsch, stilecht mit Våfflor, Preiselbeeren und Sahne. Bild unten: langsam gegartes Südstaaten-BBQ bei Holy Smoke

Trailrunnning is about meeting people. Obwohl, dieser Typ, der meiner Erinnerung nach nicht viel mehr am Körper hatte als eine übergroße Trucker Cap und ein paar rote S/Lab-Schuhe, war dann doch allzu wieselflink Richtung Uferklippen verschwunden. Aber das Paar da im moderaten Achtsamkeitslaufschritt - ob ich mich nicht für ein paar Kilometer an ihre Fersen heften könnte? Viele Gedanken werden ausgetauscht, aber, was ich erst viel später bemerken sollte, nicht einmal die Namen. Dafür erfahre ich, dass hier um den Kullaberg nun einmal die schönsten Trails Schwedens führen. Mindestens. Und dass das Rennen jedes Jahr im November, Kullamannen heißt es, eine ganz unbedingte Pflichtveranstaltung sei. IN GUTER GESELLSCHAFT Bergauf, bergab geht es, mal auf verblockten Stufen, dann wieder auf fluffigem Waldboden, wie er so fluffig immer nur ganz nah am Wasser ist. Aber nah am Wasser ist auf dieser Halbinsel gut 60 km nördlich von Malmö ohne-

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Der Rothaarsteig, der Ostharz, die Höhenlagen der Eifel, tatsächlich ist ja Trailrunning längst auch in der Wirklichkeit deutscher Mittelgebirge angekommen. Also auf den Internetseiten des Tourismusmarketings. Überall Leute mit Race-Westen und den ganz leichten, farbenfrohen Wanderschuhen. De facto aber kann man selbst auf dem Rheinsteig oder auf der Schwäbischen Alb manchmal ganze Tage verbringen, ohne einer weiteren Läuferin, einem weiteren Läufer zu begegnen. Hier am Kullaberg aber begegnen wir uns im Viertelstundentakt. Und klar mag das auch daran liegen, dass dieses Skåne darüber hinaus das flache Land der Seen, Wälder, Felder und überhaupt der Weite ist. Von null auf neunzig Meter, das hat man hier im südlichsten Schweden nicht allzu oft. Dennoch: An diesem Sonntag nach Midsommar befinde ich mich hier in ziemlich guter Gesellschaft. Es läuft. Mit mir in Schweden und mit den Schwedinnen und Schweden an sich. Mit Magnus etwa, dem ich am Mittag schon am Kullaberg aufgefallen war. Wegen der Ciele-Kappe und der Spiegelreflexkamera. Jetzt sitzen wir ein paar Kilometer im Landesinneren und halten aufgespießte Marshmallows übers Feuer. Beim Südstaaten-BBQ Holy Smoke, einer Mischung aus Containerdorf, Festivalgelände und Ro-


EVENTS REVIEW

Fotos: Ian Corless

Höher, immer höher, viel höher als der Monte Rosa Skymarathon können Trail-Veranstaltungen zumindest in Europa nicht führen.

Sommeraktivitäten Teil 1 2019. Sommer. Normal ist was anderes. Der Sport, Trailrunning in den Alpen boomt! Kein Wochenende ohne Wettkämpfe, und dabei ist fast jeder ausgebucht und von vielen Hunderten besucht, erkämpft und manchmal sogar fanatisch verehrt. Ein Überblick über die ersten Rennen der Sommersaison, ihre Sieger, Finisher und Geschichten.

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Monte Rosa Text: Johannes Schmid

Der Monte Rosa Skymarathon bringt das, was wir gemeinhin Trailrunning nennen, in ungeahnte Höhen. Johannes Schmid, einer der Initiatoren des U.TLW®, ist für uns mitgelaufen, mitgeklettert – und hat für uns mitgeschrieben. Dieses Rennen ist eigentlich mit nichts zu vergleichen. Der Monte Rosa Skymarathon ist kein Trail-Rennen und auch kein Berglauf. Es ist keine Hochtour und schon gar kein Spaziergang im Gebirge. Am ehesten noch ist diese Veranstaltung der Inbegriff von Skyrunning, auch wenn man am Monte-Rosa-Massiv dieses Wort aus markenrechtlichen Gründen nicht in den Mund nehmen darf. Hier wird maximale Geschwindigkeit ins Hochgebirge übertragen. Skyrunning also. In den frühen 1990er-Jahren legten Leute wie Marino Giacometti (Gründer der Skyrunning Series), Gisella Bendotti oder Fabio Meraldi den Grundstein für diese Sportart. Alle drei sind auch bei diesem Rennen vor Ort in Alagna, begrüßen die Teilnehmer beim Rennbriefing und gratulieren uns am Sonntag beim Zieleinlauf. Start ist im malerisch gelegenen Alagna auf der Südseite des Monte-Rosa-Massivs im Aostatal auf 1.192 m. Die Spielregeln sind einfach: 17 km bergauf mit 3.500 Hm Anstieg, abklatschen an der höchsten Hütte der Alpen, der Capanna Regina Margherita (4.554 m) und dann wieder runter. Die 17 km zwischen Start und Wendepunkt sind mit allem gewürzt, was sich der Skyrunner vorstellen kann. Verwinkelte Trails, steile Schneefelder mit Seilversicherungen, Gletscherquerungen – und einem atem(be)raubenden Blick auf die 4.000er des Aostatals und von Wallis. Leicht und schnell im Hochgebirge Spätestens ab der Gnifetti-Hütte auf 3.647 m wird der Wahnsinn dieses Rennes offensichtlich. Schwer bepackt schleppen sich Dutzende Bergsteiger hinauf in die Welt der 4.000er. Warm eingepackt steigen sie über den Gletscher, vollgepackt und zumeist von einheimischen Bergführern begleitet. Mit minimalistischem Gepäck sausen Markus Mingo (ebenfalls aus der Crew des U.Trail Lamer Winkel) und ich bergab an ihnen vorbei. Nur kurz haben wir die phänomenale Aussicht auf der Capanna Regina Magheritha genossen und eine Tasse Tee getrunken. Es ist ein surrealer Zustand, als wir im Zweierteam – verbunden mit einem 10-m-Seil, das uns im

blödesten Fall vor einem Spaltensturz retten kann – mit Grödeln an den Laufschuhen und Mikro-Rucksäcken auf 4.500 m in den Downhill eintauchen. Was denken sich diese Bergsteiger wohl bei unserem Anblick? Denn sie wissen, was sie tun Eine Kontrolle der Pflichtausrüstung vor dem Start sparen sich die hochgebirgserprobten Organisatoren. Mein Rucksack wiegt inkl. 10-m-Seil und 1l Getränk am Start kaum mehr als 3 kg. Selbstverantwortliches Handeln bei einem Rennen, vor allem bei einem extremen wie diesem, ist für die Italiener eine Selbstverständlichkeit. Wer keine Handschuhe mitnimmt, holt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfrierungen an den Fingern. Wenn man keine Grödeln und kein Seil dabei hat, wird man an den Checkpoints disqualifiziert. Im Unterschied zu vielen anderen Wettkämpfen ist die Pflichtausrüstung hier nicht bloß für den Fall der Fälle gedacht, sondern ein entscheidender Faktor über Erfolg und Misserfolg. Beim Blick auf die fast 400 Teilnehmer beim Start entsteht sofort der Eindruck, dass hier alle ganz genau wissen, was sie tun und worauf sie sich einlassen. Durchtrainierte Bergsportler*innen mit sonnengegerbten Gesichtern stehen in der Startbox. Beim Blick auf ihre Ausrüstung entsteht sofort der Eindruck, dass viele von ihnen schon die eine oder andere Schlacht geschlagen haben. Championsleague des Ausdauersports Wenn man ein Rennen mit derart komplexen Anforderungen an Kopf und Körper erfolgreich und schnell absolvieren will, dann muss wirklich alles passen. Blindes Verständnis mit dem Teampartner, absolut sicherer Umgang mit der Ausrüstung, Zurechtfinden mit den Bedingungen im Hochgebirge und den Temperaturunterschieden. Und das Allerwichtigste ist, dass man akklimatisiert ist. Ansonsten gibt’s ab spätestens 3.000 m einen ziemlichen Motorplatzer. Kurz gesagt, eine intensive Vorbereitung und die maximal mögliche Kontrolle im Rennen entscheiden über Ankommen und auf der Strecke bleiben. Wir sind auf der Strecke geblieben und als überglückliche Zehnte eingelaufen, einen Platz vor Eva Sperger, die – als die mit Abstand schnellste Frau des Tages – mit ihrem Teampartner Adrian Zurbrügg bei diesem hochkarätig besetzten Rennen auf dem 11. Rang eingelaufen ist. Am Ende des Tages kommen von 182 Teams 128 erfolgreich ins Ziel. Lokalmatadoren werden beim Zieleinlauf mit Kuhglo-

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ckengebimmel und frenetischem Applaus gefeiert wie Superstars – zu Recht, und die Platzierung ist völlig nebensächlich. Was muss es für ein unbeschreibliches Gefühl sein, in seinem Heimatort so ein Rennen erfolgreich ins Ziel zu laufen. Positiv verrückte Sportler haben mit dem Monte Rosa Skymarathon Anfang der Neunziger ihre sportliche Vision in die Realität umgesetzt. Es war die Geburtsstunde des Skyrunning und ist schon jetzt eine lebende Legende: visionär, radikal und unvergleichlicher Lage aus.

Gletscher Trailrun Text: Benni Bublak

Verlaufen in weglosem Terrain: ein Laufabenteuer hoch über dem Ötztal Das Ramolhaus auf 3.006 m Höhe ist der höchste Punkt des Gletscher Trailruns im Ötztal. Die Läufer des heuer erstmals ausgetragenen Ultras passierten diesen Punkt zum Sonnenaufgang. Nach vierstündigem Lauf durch die Nacht eröffnet sich ihnen hier ein einmaliges Gletscher-Panorama. Dieses und das alpine durchaus anspruchsvolle Gelände ist das, was diesen Trailrun ausmacht, der sich ausschließlich in einer Höhe zwischen 1.900 und 3.000 m bewegt. Highlight ist die 2017 neu errichtete Piccard Brücke: eine 217 m lange Hängebrücke, die sich schwindelerregend über eine Schlucht am Ende des Gurgler Tals spannt. Ressourcen werden wenig gebraucht. Dort in der Höhe, wo die Wegführung über lange Strecken auch ohne umfangreiche Markierung eindeutig ist. Obwohl, selbst bei nur wenigen Wegmöglichkeiten kann die Orientierung schwierig werden, erst recht, wenn es mal weglos wird. Zum Verhängnis wurde dies Marcus Burger und Markus Mingo, die sich in Führung liegend verliefen. Profiteur war der immer verhalten startende Matthias Krah, der die Führung übernahm und bis ins Ziel nicht mehr abgab. Die Wertung der Frauen zählte nur neun Finisher beim Ultra und konnte von Marie Luise Mühlhuber gewonnen werden.


EVENTS REVIEW WETTKÄMPFE 2019

Wir waren uns einig. Das ist unser Lieblinsgbild der Ausgabe: Simone Schwarz (links) vor dem ZUT-Start

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Über den ZUT ist länsgt alles gesagt? Nicht von einem, der dieses Rennen buchstäblich durchlitten hat. Grainau, 21. Juni 2014. Es ist kurz nach 21 Uhr. Ein langhaariger Typ stolpert ins Ziel. Die letzten 14 Stunden haben ihn deutlich gezeichnet. Trotzdem ist sein breites Lächeln nicht zu übersehen. Er hat gerade seinen ersten Hunderter gefinisht. Es war ein Anfang ... Fünf Jahre – und ein Dutzend Hunderter später. Ich stehe wieder an diesem Ort. Es hat sich einiges geändert. Ich bin Vater geworden. Habe Haare gelassen – und ja, sogar ein wenig grau sind sie schon. Ich habe einen Ausrüstungssponsor. Und ich mache jetzt mit bei diesen sozialen Medien. Aber vieles ist geblieben. Dieses diffuse Vorwettkampf-Gefühl – Vorfreude, grobe Unruhe und Fluchtfantasien. Diese infantile Aufregung, wie vor einer Schulprüfung, die mich nicht schlafen lässt. Die mich klein macht. Der mit Vernunft nicht beizukommen ist. Das gehört dazu, sagt man. Ich weiß nicht. Auf dem Weg zur Startnummernausgabe begegne ich einem netten Mann mittleren Alters mit Schildmütze und Hund. Denis. Mein Teamchef. „Du läufst aber die 60 morgen trotzdem, oder?“ Es dauert eine Weile, bis die Nachricht zu mir durchdringt. Unwetterwarnung. Starkregen. Gewitter. Aus Ultratrail wird Supertrail. 100 km werden auf 63 km gestutzt. Eine logische Runde wird zu einem unförmigen Omega. Die schneebedingte „Streckenverflachung“ vom Vortag hatte ich einigermaßen verdaut. Aber das ist

Kilometer 6. Anstieg zum Scharnitzjoch. 143 Puls?! Komm schon. Das hier ist ein Wettkampf. Kein Wald- und Wiesenlauf. Jetzt gib mal Gas! Normalerweise bin ich Gefühlsläufer – ohne Puls, ohne Zeitplan, ohne Pace. Aber heute brauche ich externen, technischen „Antrieb“. Und so peitsche ich mich hier irgendeinen verdammt steilen Hang hinauf. Wo bin ich eigentlich gerade? Ich blicke kurz vom Boden auf. Krass! In der Ferne sehe ich noch das türkise Leibchen des späteren Siegers Flo Reichert hinter der nächsten Kuppe verschwinden. Im Hintergrund die monumentalen Wände des Wettersteinmassivs. Vor stahlblauem Himmel. Vor lauter schrillem Gerede über Verkürzung, Verflachung, „Forstwegmarathon“ waren mir diese Abschnitte in Vergessenheit geraten. Wir rennen durch fantastische Bergwelten. Erklimmen steile Scharten auf weglosen Geländen. Surfen unkontrolliert die Schneefelder hinab. Reiten auf phänomenalen Downhills gen Tal. Und auf einmal habe ich wieder eine Idee. Eine Idee, warum ich hier bin: Freude am Laufen. Halbzeit. Die Sonne steht fast senkrecht am Himmel. Die spektakulären Abschnitte vom Scharnitzjoch sind schon wieder ferne Vergangenheit. Alles ist ein wenig stumpf und träge. Eigentlich ein guter Zeitpunkt für eine Krise. Aber selbst

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Kilometer 41. Ich laufe auf den Basetrail XL auf. Schlagartig nehmen die sozialen Kontakte zu. „’Tschuldigung. Darf ich kurz vorbei. Danke.“ Sofort wird Platz gemacht. Immer. Super. Und trotzdem. Mein menschenscheuer Rhythmus ist dahin. Und auch den „Tunnel“ kann ich nicht mehr finden. Also beginne ich zu zählen. Als Beschäftigungstherapie. Gegen die aufkommende Erschöpfung. Gegen tückische Sinnfragen. Bei 73 passierten Mitläufern breche ich ab. Recherchen im Nachgang ergeben: Es waren insgesamt ganze 349. An welcher Position bin ich denn jetzt eigentlich? Ich befinde mich knapp 3 km vor dem Ziel. Und habe keine Ahnung. Finde ich irgendwie gut. Heute. Irgendetwas von „Top Ten“ meine ich mal zwischen zwei Pennywise-Akkorden von Passanten vernommen zu haben. Und so treibt mich doch eine gewisse Neugier die letzten Meter ins Ziel. 6:47:53 Stunden. Mein Blick fällt auf die Großbildleinwand. „7. Platz - Florian Felch – Team TRAIL Magazin.“ Ich staune. Es ist nicht der 7. Platz an sich. Es sind die Positionen davor. Alles große Namen dieses Sports. Und ich direkt dahinter. Toll. Ich gehe hinter die Absperrung. Freunde und Familie sind da. Ich bekomme Komplimente, Bier und einen Kaiserschmarrn. Und bevor ich doch wieder zu hadern beginne, beschließe ich einfach: Das ist ein guter Tag. Ein sehr guter sogar. Kurz nach Mitternacht. Ein infernalisches Donnergrollen reißt mich aus dem Schlaf. Starkregen prasselt auf das Dachfenster. Es ist doch noch gekommen. Das Unwetter. Zum Glück. Ich drehe mich um. Und schlafe beruhigt wieder ein.

Philipp Reiter, Kelvin Trautman

Salomon Zugspitz Ultratrail Text: Flo Felch

Der nächste Morgen kommt trotzdem. Leutasch. Startaufstellung. Strahlender Sonnenschein. Ich bin mir nicht sicher, was ich hier will. Aber ich übe mich in Professionalität. Versuche meine Enttäuschung unter einem großen Haufen Trotz zu verbergen. Der zornige Trailrunning-Gott hat mir den Fehdehandschuh hingeworfen. Ich habe ihn aufgehoben. Also los. Bringen wir’s hinter uns.

auf eine Krise habe ich gerade keine Lust. So bewege ich mich im emotionalen Niemandsland. Allein. Über breite Forststraßen. Durch identitätsloses Gebiet. Nicht flach, nicht steil. Dort, wo man doch eigentlich „unbedingt Tempo machen muss“. Wie albern sich das jetzt anhört. Meine Aufmerksamkeit klammert sich mal wieder an meiner Herzrate fest. Nicht denken, Puls halten. Bloß nicht denken.

Fotos: Marcus Fruehmann,

jetzt echt zu hart. Mein ganzes Motivationsgebilde stürzt in sich zusammen. Wie ein Kartenhaus. Es geht nicht um die 40 km. Es geht um eine Idee, die mich begeistert hat. Die mich motiviert hat. Noch einmal um das Wettersteinmassiv. Schneller als vor fünf Jahren. Schneller als zwölf Stunden. Alles kaputt!


SPECIAL ALPINES TRAINING BERGFEST TRAILRUNNING WERDEN Text: MICHAEL AREND

WIE WIRD DER FLACHLÄNDER

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Du kannst natürlich von Hamburg in die Berge ziehen, um ein besserer „Bergläufer“ zu werden. Aber uns ist schon klar – Hamburg ist eine Perle und es lebt sich dort ganz gut. Bleib also ruhig dort und lies den folgenden Text. Das könnte eine Menge Umzugsstress vermeiden.

„Was interessiert euch im Zusammenhang mit Training und Trailrunning?“, haben wir auf Facebook gefragt, und die mit Abstand häufigste Antwort lautete: „Trainieren für Berge im Flachland“. Euer Wunsch ist uns Befehl. Die Antwort ist wenig überraschend für mich. Zu oft höre ich, dass es ja im Flachen super läuft, dass jedoch sofort alles vorbei ist, sobald eine Steigung kommt. Spätestens aber, wenn es im Urlaub oder im Wettkampf an lange und steile Berge geht, dann geht auf einmal gar nichts mehr. Klar, als Flachländer ist man das ja auch nicht gewohnt, woher soll es auch kommen? Oder ist man einfach nicht fit genug für die Berge? Das ist die Gretchenfrage, die es zu beantworten gilt, denn danach sollte sich auch das Training richten. Entweder allgemein fitter und ausdauernder werden oder sich eben hauptsächlich auf die Anforderungen am Berg konzentrieren. Natürlich ist das eine recht emotionale Frage und genau deswegen möchte ich sie so objektiv wie möglich beantworten.

Nahrungsmittel in Kcal oder KJ. Bei körperlichen Leistungen - wie auch bei Strom - ist die Einheit Watt üblich. Und mittlerweile gibt es nicht nur für Ruderer und Radfahrer diese Größe als Leistungsangabe, sondern auch Garmin, Polar, Stryd und Co. bieten inzwischen die Möglichkeit, Leistung in Form von Watt beim Laufen zu messen. Obwohl ich alle Vergleiche zwischen Autos und Läufern zu meiden versuche ist es schon so, dass nicht die reine Leistungsfähigkeit zählt, sondern eben auch die Leistung in Vortrieb zu nutzen. Im neuen Buch von u. A. Kilian Jornet wird die Kapazität des Läufers und die Anwendung dieser Kapazität sehr schön unterschieden („capacity“ und „utilization“). Genau so wollen wir auch vorgehen. Wir schauen uns zunächst an, welche Kapazität notwendig ist, um einen Berg hochzulaufen, und gehen erst danach darauf ein, wie gut die Gewöhnung am Berg sein muss und wie diese trainierbar ist.

Am Beispiel wird dies deutlicher: Kapazität meint die Möglichkeit Leistung zu erzeugen, also Energie bereitzustellen und Sauerstoff zu verstoffwechLeistungsfähigkeit oder Gewöhnung? seln, zunächst egal, was dabei für ein Laufen ist Spaß und Emotion, LeidenErgebnis rauskommt. So kann z. B. schaft und Lebensfreude. Rein wissensowohl Stian Angermund-Vik - einer schaftlich ist das Laufen aber Kraftganzzu großen Einer der in der Lage ist die Rekorde vonder Kilian brechen Vertical-K-Spezialisist der Ecuadorianer aufwand gegen die Schwerkraft und ten eine ähnliche wie EliKarl Egloff. Dies hat er mehrfach unter Beweis gestellt. Der Kapazität Ex-Profi-Mountainsomit reine Physik. Laufen ist also ud Kipchoge haben. Diese wird biker und Bergführer leistet Unglaubliches und hätte ohne Frage eine höhereübliAufnicht nur umgangssprachlich eine in ml Sauerstoff merksamkeit verdient. Jeweils inklusive cherweise Auf- und Abstieg bezwang er pro den Minute AconcaLeistung, sondern im physikalischen proden Kilogramm gemesgua in 11 Stunden und 52 Minuten sowie Elbrus in Körpergewicht 4 Sunden 20 Minuten. Sinne Arbeit/Zeit. Leistung wird bei sen und wird bei beiden über 80ml/ Autos in PS oder KW angegeben, bei min/kg liegen. Während aber Anger-

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TYPEN UNGLAUBLICHE STORY Text & Foto: CLEMENS NIEDENTHAL

Ein Mann, ein Lauf

Sebastian Magga wollte unbedingt 100 km laufen. Also hat er sich nach der Streckenkürzung beim Zugspitz Ultratrail einfach seinen eigenen Ultra organisiert: den Seb100

Klar, einige von euch sind schon mal hundert Kilometer gelaufen. Aber wer von euch hatte schon einmal sein eigenes, ganz persönliches Hundertkilometerrennen? Um zu verstehen, wie es dazu kam, setzen wir uns im November 2018 in eine Pizzeria in Osnabrück. Da sitzen nämlich Sven Kösters und, vor allem, Sebastian Magga. Wir kennen die beiden schon. Sind mit ihnen durch den Teutoburger Wald und kreuz und quer über den Piesberg gelaufen. Waren ihre Gäste bei einem der beeindruckendsten und herzlichsten Gruppenläufe, die wir als Trail Magazin erleben durften. 220 Leute in einem Bundesland, das die Berge in seinem Namen explizit verneint. Sebastian Magga, das war der mit dem smarten Parka. Ein ruhiger Typ, der nicht nur seine Klamotten überlegt wählt. Im täglichen Leben, jenem, das jetzt so an ihm zerrt, ist er Betriebsleiter einer technischen Überprüfungsgesellschaft. Viel Arbeit, viel Verantwortung. Also: „Lass nochmal was Großes machen.“ „Einen Ironman?“ „Nein, den Zugspitz Ultratrail.“ Und weil Sebastian die Dinge grundsätzlich angeht, schreibt er gleich eine Mail an ein kleines, aufstrebendes Unternehmen im Allgäu: Michael Arend Training. Lauftrainer Stefan Helbig wird ihn auf dem Weg zur Zugspitze begleiten: „Zweimal in der Woche eine Qualitätseinheit, die einen richtig in die Knie zwingt, und dann rumeiern im niedrigen Pulsbereich, das kann schon auch nerven.“ Es wird eine intensive Zeit. Laufen bekommt für Sebastian Magga eine neue Qualität. „Ich bin dann eine Woche vorher nach Grainau gefahren, der Bergluft hingeben, ein schönes Wellnesshotel, um wirklich fokussiert ins Rennen zu starten.“ Ein guter Plan. Bis dann am Donnerstagabend das Smartphone klingelt. „Hi Seb, die haben das Rennen

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verkürzt.“ „Um vier oder fünf Kilometer?“ „Nein, auf 63 Kilometer.“ Denn für den Samstagabend seien Gewitter und Starkregen angekündigt. Sebastian hat das auf die Bretter geschickt, „weil ich alles auf diesen Tag hinorientiert hatte“. Derart orientierungslos stieg er nach 32 km aus. Im Shuttle zurück an den Start dann bereits die Erkenntnis: „Ich bin jetzt auf Punkt gar, ich möchte jetzt 100 Kilometer laufen.“ Auftritt Hans-Bernd Mergelmeyer. Ein zupackender Typ, einer, für den es eigentlich immer nur Lösungen gibt. Sein Lösungsvorschlag: „Wir organisieren deinen eigenen Ultra, den Seb100.“ „Aber dann brauchen wir Höhenmeter und eine Kapelle, so wie hier beim ZUT.“ „Auch das kriegen wir hin.“ Ein Samstag in Südniedersachsen, vierzehn Tage später. Hitze steht über dem Land, weswegen der Start des Seb100 auf drei Uhr morgens vorverlegt worden ist. Drei Runden sind zu laufen, jeweils 34 km mit gut 1.300 Hm. Als Sebastian Magga um 2 Uhr 50 am Waldparkplatz ankommt, warten da bereits 17 Läufer*innen, um mit ihm auf die erste Runde zu gehen. Sebastian läuft. Und er läuft, wie es ihm sein Trainer geraten hat. „Die ersten 30 Kilometer darfst du gar nicht merken.“ Was Sebastian hingegen merkt: den Support der Laufreund*innen und sogar von Leuten, die vom Seb100 nur durch die sozialen Medien erfahren hatten. „Es war schon eine heftige emotionale Geschichte für mich.“ Bruttozeit: knappe 13 Stunden. Ach ja, die Sache mit der Kapelle sollte dann die 15-jährige Tochter von Hans-Bernd Mergelmeyer übernehmen. Pünktlich um 7 Uhr zum Start der zweiten Runde gab es ein Ständchen auf der Trompete. Dafür durfte sie dann eine Stunde länger aufs Schützenfest.

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Es ist tasächlich nicht so einfach, 100 Kilometer zu laufen. Es sei denn, man hat so gute Freunde wie Sebastian Magga.

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CROSS COLLECTION

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