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MORALFRAGE

MORAL Sportsucht Verantwortung und Feingefühl

Übertraining, Sportsucht, Anorexia athletica – der Grad zwischen wunderschönen und zunehmend zwanghaften Läufen ist manchmal so schmal, wie der der Trail. Steht es mir als Außenstehende:r zu, ein:e Läufer:in auf eine in meinen Augen ungsesunde Einstellung zum Sport hinzuweisen?

Liebe Redaktion,

Ich bin seit einigen Jahren jeden Samstag mit einem Lauftreff unterwegs. wobei wir mit den Jahren mal losere, mal bessere Freund:innen geworden sind. Meine Frage, nein, mein moralisches Dilemma betrifft nun zwei Läuefer:innen, die noch recht jung in unserer Runde sind. Eine junge Frau, alleinerziehende Mutter, die jedes Mal auf den letzten Drücker zu den Läufen kommt, aber immer die lange Runde mit der schnellen Truppe angeht, was sie merklich an ihre Gernzen bringt. Der andere ist ein Läufer in seinen Dreißigern, Trainingsweltmeister, überambitioniert und gefühlt von Samstag zu Samstag ausgemergelter. Er nimmt sich viel vor, bricht dann aber beinahe jedes Rennen ab. Und wenn wir uns mit dem Lauftreff mal auf eine Pizza treffen, sagt er mit fadenscheinigen Argumenten ab. Steht es mir zu, die beiden auf einen, in meinen Augen, ungesunden Umgang mit dem Sport hinzuweisen?

Martin W. aus Ulm

Lieber Martin, ich musste da sponatn an zwei ebenfalls eher lose Laufbekannte von mir denken. Die eine humpelt gerade mit einem Entlastungsschuh durch die Gegend. Eine Ermüdungsfraktur des Fersenknochens, Resultat von tatsächlich aggressiv gesteigerten Laufumfängen. Der andere kann momentan allenfalls Speedhiken, bei absoluter Kontrolle seiner Herzfrequenz. Eine Herzmuskelenzündung, Resultat eines verschleppten Infekts. Und beides wäre nicht so gekommen, wenn die eine nicht permanent von ihrem Umfeld (auch von jenen, die gar nicht selbst laufen) suggeriert bekommen hätte. was für coole, krasse Distanzen sie plötzlich läuft. Und wenn der andere nur eine Idee davon gehabt hätte, dass der Sommer auch ohne Alpenüberquerung mit der Rennradclique wunderbar geworden wäre. Kurz: dass es eine Freizeit, ja eine Freiheit jenseits des Ausdauersports geben kann. Um auf Deine beiden Laufbekanntschaften zurückzukommen. Hier sehe ich die Fakten tatsächlich unterschiedlich gelagert. Die junge Läuferin wird sogar dankbar sein für deine Analyse. Vermutlich ist sie selbst noch auf der Suche, ihre pesönliche Version des Laufens zu finden. Und wenn nicht, dann ist es auch okay, dass sie ihr Glück in solchen „All out"-Läufen sucht. Abschalten durch Auspowern, andere gehen dafür zum Boxen, oder zum Cross Fit. Der zweite von Dir geschilderte Fall scheint mir da dringlicher. Und sollte es keine:n in Eurer Gruppe geben, der enger mit diesem Läufer befreundet ist, solltest Du den direkten Kontakt suchen. Rechne aber nicht damit, dass Deine Worte auf offene Ohren stoßen. Wahrscheinlich ahnt der arme Kerl ja bereits, dass sein Verhältnis zum Laufen zunehmend zwanghaft geworden ist. Was ihn für Deine Argumente noch einmal unempfänglicher macht. Vielleicht wirst Du aber in einigen Wochen oder Monaten Veränderungen seines (Lauf-)Verhaltens feststellen. Signalisiere ihm bis dahin: Du hast immer ein offenes Ohr.

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